Effizent mit entschlackter Budgetplanung - Ein Artikel von Wolfgang Bach.

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Effizient mit entschlackter Budgetplanung

Impulse für die CFO-Organisation (Teil 2)

Chief Financial Officers (CFOs) bekleiden in mittelständischen Unternehmen eine Schlüsselposition. Wolfgang Bach, CFO der Unternehmensgruppe EJOT und Mitglied des CFO-Zirkels von Dr. Thomas M. Fischer, gibt in der Themenschmiede in lockerer Folge Anregungen für eine chancenorientierte, unternehmerische Interpretation der CFO-Organisation. In diesem Beitrag schildert er, warum, wie und mit welchem Gewinn EJOT seine Prozesse in der Budgetplanung nach der Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2009 radikal umgebaut hat.

Sep 27, 2023 2:42:29 PM

An die Jahresplanung knüpfen wir in der EJOT Gruppe hohe Erwartungen. Wir möchten Trends in unseren Marktsegmenten frühzeitig erkennen, Chancen und Risiken für das Ergebnis jederzeit bewerten sowie die Liquidität präzise steuern. Die Planung soll uns dabei helfen, Investitionen und strategische Projekte zu priorisieren und auch komplexe Strukturen, etwa Geschäftsbereiche in Kombination mit Tochtergesellschaften, transparent darzustellen. 

Die Krisen und Unsicherheiten der vergangenen vier Jahre haben gezeigt, wie überzeugend die Planungsprozesse bei EJOT diese Ansprüche erfüllen. Ob Coronapandemie, Supply-Chain-Probleme, Inflation, Krieg in der Ukraine oder Energiekosten – unsere Planungs- und Controlling-Prozesse erlauben uns, mit Tempo und Flexibilität durch alle Unwägbarkeiten der Märkte zu navigieren. Das war nicht immer so. Die Qualität unserer Planung rührt aus einem radikalen Systemwechsel, zu dem wir uns nach der globalen Finanzkrise von Herbst 2007 bis Mitte 2009 veranlasst sahen.

Damals stellte sich heraus: Mit unseren tradierten Gepflogenheiten in Planung und Budgetierung kamen wir im zunehmend volatilen Wirtschaftsumfeld nicht mehr zurecht. Wir vergeudeten Ressourcen im Controlling, programmierten die Organisation auf die falschen Ziele und waren nie aktuell. Das Budget-Zahlenwerk und tatsächliches Geschäft liefen völlig asynchron.



Die Lehren aus der Finanzkrise 2008/2009

Aber worin lag das Problem? Wie fast alle anderen Unternehmen auch durchlief EJOT Jahr für Jahr einen mehrmonatigen Planungsprozess, der bei uns von Juli bis Dezember dauerte. Überspitzt gesagt, bildete dieser langwierige Prozess die Existenzgrundlage der Controlling-Abteilungen. Planung, das war ihre Hauptaufgabe und lastete sie zu 50 Prozent aus. Im Dezember 2007 hatten wir wie gewohnt die Zahlen fürs folgende Jahr stehen und das Okay vom Beirat eingeholt. Als uns dann die Auswirkungen der Finanzkrise ereilten, brach der Markt von heute auf morgen ein. Insbesondere im Automobilsektor.

Einer der Effekte: Unsere Jahresplanung war schon im Januar nicht mehr zu gebrauchen. In den ersten drei, vier Monaten verloren wir 40 Prozent des Umsatzes. Wir haben uns dann mit der Krise auseinandergesetzt, unsere Schlüsse gezogen und uns auf die veränderte Situation eingestellt, ohne dass unser Budget-Zahlenwerk dabei eine große Hilfe gewesen wäre. Für das folgende Jahr haben wir es dann vorsichtig angehen lassen. Die Finanzkrise hatte deutliche Spuren hinterlassen und für große Verunsicherung in der gesamten Weltwirtschaft gesorgt. Konservativ in die Zukunft zu denken – das schien das Gebot der Stunde zu sein, auch für uns.

Und dann? Auf die Krise folgte der Boom, in manchen Märkten heizten staatliche Subventionen den Absatz an, und auch bei uns nahmen einige Bereiche, etwa Automotive, wieder kräftig Fahrt auf. Es war wieder Januar, und wir merkten: Unsere Vorausschau ist erneut das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht. Nur, dass diesmal die Wirklichkeit besser war als unser Plan. In diese Phase haben wir uns unseren Planungsprozess genauer angeschaut. Was wir entdeckten, gefiel uns nicht. Meistens planten wir zu konservativ und kamen unseren strategischen Zielen mit unseren Zahlen überhaupt nicht nahe.

Einer der Gründe: das Tantieme-System. Die Boni waren abhängig von der Zielerreichung. Darin steckte der Fehlanreiz, niedrig zu kalkulieren und dann möglichst positiv von dieser Zielgröße abzuweichen. Es war unter diesen Bedingungen kaum möglich, eine vernünftige Planung aufzustellen. Außerdem verbrauchten wir unheimlich viel Zeit, weil wir versuchten, in der gesamten Gruppe und weltweit alle Teilpläne so abzustimmen, dass sie nachher auch mathematisch einen konsistenten Gruppenplan ergeben. Last but least widmeten wir uns zu sehr den Details. Selbst mit Kostenstellenverantwortlichen, die nur über ein kleines Marketingbudget in Höhe von 100.000 Euro verfügten, haben wir jede Kostenart gerechnet und das auch noch auf zwölf Monate saisoniert.

Als großes Problem entpuppte sich – Überraschung! – die Kostenstellendisziplin: Jeder war erpicht darauf, diese Vorgaben auch einzuhalten – selbst dann, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld völlig verändert hatte. Das war, gelinde gesagt, Unsinn.

Als Fazit lässt sich sagen: Mit unserem alten Ansatz haben wir die Risiken quantifiziert und die Chancen quasi als Reserve außer Acht gelassen. Mit unseren heutigen Ambitionen wäre ein solches System nicht einmal annähernd vereinbar: EJOT agiert aus Prinzip chancenorientiert, möchte alle vier Jahre um 50 Prozent wachsen und strebt eine auskömmliche EBIT-Marge an.

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Wir verfolgen alle das gleiche Ziel: besser werden, Umsätze steigern, Kosten im Griff behalten und das Ergebnis steigern. Niemand hat noch ein Interesse daran, ein Budget konservativ aufzustellen. Ganz im Gegenteil: Die Führungskräfte treffen in der Planung heute durchweg optimistische Aussagen.", so Wolfgang Bach. 

Budgetplanung von sechs Monaten auf zwei Wochen

Wir haben uns deshalb damals ein komplett neues Planungssystem überlegt. Seither beschäftigen wir uns maximal zwei Wochen gegen Ende eines Jahres mit der Planung. Sie erfolgt top-down für die gesamte Gruppe, also für jede Tochtergesellschaft. Darin bilden wir auch unsere strategischen Ziele ab.

Ein entscheidender Faktor, warum diese Vorgehensweise gut funktioniert: Wir vergleichen nicht mehr die realen Zahlen mit einem Budget, sondern immer und ausschließlich mit den Vorjahreswerten, auch in den Kostenstellenberichten für die Führungskräfte. Uns interessiert nur noch, um wieviel Prozent wir besser werden. Nur davon hängen seither auch die Tantiemen ab, die sich für einen Großteil unseres Managements nur noch nach einer Stellgröße richten: dem absoluten Ergebnis (EBIT), welches wir erreichen möchten.

Damit verfolgen wir alle das gleiche Ziel: besser werden, Umsätze steigern, Kosten im Griff behalten und das Ergebnis steigern. Niemand hat noch ein Interesse daran, ein Budget konservativ aufzustellen. Ganz im Gegenteil: Die Führungskräfte treffen in der Planung heute durchweg optimistische Aussagen.

Auch die Finanzplanung gießen wir „top down“ in ein Zahlengerüst. Wir möchten immer wissen, ob wir in der Lage sind, unsere voraussichtlichen Investitionen mit unserem Finanzrahmen zu stemmen. Dabei wenden wir im gesamten Unternehmen eine einfache Netto-Cashflow-Formel an. Sie folgt einer schwäbischen Kassenvernunft: Wir wollen in einem Jahr nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen. Alle Investitionen finanzieren wir aus unserem Cashflow. Am Ende jedes Monats ermitteln wir, ob wir mit unserer Netto-Cashflow-Formel auskommen. Diese Disziplin hat dazu geführt, dass wir seit langem unabhängig von Banken und externer Finanzierung sind. In den vergangenen zwölf Jahren haben wir unsere Vorgaben nur einmal verfehlt, nachdem wir uns im Zuge der Sanktionen gegen Russland von unserer dortigen Einheit getrennt haben. Die dortigen Umsätze und Ergebnisse waren natürlich von einen auf den anderen Tag verloren. 

Der Netto-Cashflow ist für uns ein wichtiges Steuerungsinstrument. Sobald wir merken, dass er nicht mehr ausreicht, reduzieren oder stoppen wir sofort Investitionen. Strategische Projekte, wie der Bau neuer Fabriken, sind davon ausgenommen. Grundsätzlich achten wir darauf, dass in den ersten sechs Monaten eines Jahres auch nicht mehr als 50 Prozent der geplanten Invests getätigt werden. So erhalten wir uns den Spielraum, um gegebenenfalls etwas auf die Bremse zu treten.

Qualität in allen Bereichen

Heute zeigt sich, dass unsere Vorgehensweise eine hohe Qualität birgt: Die Abweichungen zu den Vorgaben sind marginal; monatliche Forecasts erweisen sich als erfreulich genau. Weltweit. Jede Einheit muss jeden Monat eine aktuelle Vorhersage abgeben, damit wir den aktuellen Entwicklungen und Trends auch Rechnung tragen können. Unser Planungsprozess verlangt nur noch wenig Bürokratie.

Das Controlling kann sich vermehrt strategischen und projektbezogenen Einsatzgebieten widmen und die Geschäftsführung intensiver beraten. Weltweit haben die Mitarbeitenden nicht mehr dieses leidige Budgetthema im Kopf, sondern konzentrieren sich auf eine positive Entwicklung des Unternehmens. Das vereinfachte Tantieme-System lenkt die Ambitionen der Mitarbeitenden aufs Wesentliche, das Geschäft. Allen ist klar: Wenn das Ergebnis des Unternehmens X ist, dann ist meine Tantieme Y. Da gibt’s nichts mehr zu interpretieren.

Kurzum: Der Umbau unseres Planungsprozesses ist eine echte Erfolgsstory. Auch wenn ich mit dem damaligen Controlling-Leiter wochenlang diskutieren musste, bis er sich mit diesem Paradigmenwechsel einverstanden erklärte. Insbesondere die Jahre seit dem Ausbruch der Coronapandemie haben gezeigt, wie schnell Unternehmen heute agieren und transformieren müssen. Mit langatmigen Planungsprozessen und starren Zahlengerüsten hätten wir diese Dynamik nicht gemeistert.

Übrigens teilen wir unsere Zahlen monatlich mit der gesamten Belegschaft. Ob in Deutschland, Kanada oder Südafrika – alle Mitarbeitenden wissen jeweils um die Lage der Gruppe und können auf dieser Basis die nächste Phase der Unternehmensentwicklung mitgestalten.

 

Redaktionelle Unterstützung: Bettina Dornberg & Christoph Berdi (die „Identitätsstifter“)

Wolfgang Bach, CFO der EJOT Gruppe.

IMPULSE FÜR DIE CFO-ORGANISATION (TEIL 1)

In Teil 1 seiner Serie stellt Wolfgang Bach ein Modell zur Kapitalbeteiligung mit Klimaschutzeffekt vor, das finanzielle Vorsorge und Klimaneutralität verbindet.

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